DRAMA + BOOK NEWS PRIOR TO 2008
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FEBRUARY 2007 SAW THE PUBLICATION, by Suhrkamp Verlag of kali: eine vorwintergeschichte here is a link that will get you to all German and English lang reviews of KALI. http://www.complete-review.com/reviews/handkep/kali.htm a couple of reviews below, reviews of SPUREN/ TRACES can be found at the http://www.handkedrama-2.scriptmania.com recently published was Handke's correspondence with Hermann Lenz [Suhrkamp] + And a collection of Interviews with Peter Hamm Newsletter Januar Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucher des BERLINER ENSEMBLES,
Das neue Jahr beginnt für das BE im Januar mit den Vorbereitungen für eine außergewöhnliche Premiere: Peter Handke hat ein neues Stück geschrieben, es heißt SPUREN DER VERIRRTEN. Uraufführung im Februar. Bis es so weit ist, laden wir Sie ein, die vielfältigen Lesungen und außergewöhnlichen Künstler, die für Sie im BE gastieren, zu besuchen.
2. LESEMARATHON FÜR PETER HANDKE & FILMNÄCHTE Zur Uraufführung SPUREN DER VERIRRTEN im Februar 2007 gibt es für Sie – nun schon zum zweiten Mal – die Möglichkeit, Peter Handke (wieder) zu entdecken. Wir beginnen im Januar. An acht Abenden lesen Schauspieler Texte von Peter Handke und in der Tischlerei zeigen wir Filme von und über ihn. Im Februar gibt es außerdem eine zweite Handke Premiere: Tanja Weidner, die zuletzt ANNE FRANK TAGEBUCH inszeniert hat, zeigt zwei frühe Sprechstücke: SELBSTBEZICHTIGUNG & HILFERUFE. Lesungen: 10., 11., 13., 14., 18., 24. Januar und 3., 4. Februar im Gartenhaus Filmnächte: 19., 20., 26. und 27. Januar in der Tischlerei Übrigens: Wer alle Lesungen mitmacht, bekommt sein Eintrittsgeld zurück und darf sich von Claus Peymann etwas wünschen!
A NEW DRAMA, spuren der verirrten, premiered at THE BERLINER ENSEMBLE om 2007 It is a continuation of Handke's conscious and exact imagination making efforts from THE HOUR WE DID NOT KNOW EACH OTHER. A long comment of mine will appear on the http://www.handkedrama-2.scriptmania.com after i have read it several times....well i have done so, but i would have to see the play to see whether that author as it were intruding into the stage proceedings makes it anything different than hour, or whether that move destroys the previous game.... LINK OF LYNXES TO MOST HANDKE MATERIAL ON THE WEB:
http://www.handke.scriptmania.com/favorite_links_1.html
HANDKE LINKS + BLOGS SCRIPTMANIA PROJECT MAIN SITE: http://www.handke.scriptmania.com and 13 sub-sites
the newest: http://handke-photo.scriptmania.com/ contains the psychoanalytic monograph http://www.handkelectures.freeservers.com [the drama lecture]
http://www.van.at/see/mike/index.htm
[dem handke auf die schliche/ prosa, a book of mine about Handke]
http://begleitschreiben.twoday.net/topics/Peter+Handke/
http://handke-discussion.blogspot.com/ [the American Scholar caused controversy about Handke, reviews, detailed of Coury/ Pilipp's THE WORKS OF PETER HANDKE, the psycho-biological monograph] with three photo albums, to wit:
http://picasaweb.google.com/mikerol/HANDKE3ONLINE#
> http://picasaweb.google.com/mikerol/HANDKE2ONLINE#
http://picasaweb.google.com/mikerol/POSTED?authkey=YeKkFSE3-Js#
http://www.handke-trivia.blogspot.com
http://www.artscritic.blogspot.com
[some handke material, too, the Milosevic controversy summarized]
here are some links to interesting blogs that have fine responses to handke, http://brightstupidconfetti.blogspot.com/ http://this-space.blogspot.com/
DIE ZEIT, 08.02.2007 Nr. 07 Eine, die auszog, die anderen zu findenPeter Handkes »Kali« ist ein atemberaubendes Epos über Aufbruch, Verlust, Suche und Heimkehr. Von Ursula März Eine Erzählung, die zum einen von einer vollständig versammelten Familie ausgeht, deren Mitglieder sich zum anderen nicht vom Fleck bewegen – diese Erzählung wäre nicht von Peter Handke. Seine Bücher berücksichtigen, egal in welcher Variation, egal welcher Gattung sie angehören und in welcher Arbeitsphase er sie verfasste, das zyklische Urmuster des abendländischen Epos: also Aufbruch und Reise, Fahrt und Wanderung, wenn es gut geht, Rück- oder Heimkehr, die auf das Motiv der Versöhnung, der Identitätsbildung oder zumindest der Erkenntnis hinauslaufen. Die Reise wiederum stellt sich mit Vorliebe als Suche dar. Ein guter Schwung von Handkes Büchern bewegt sich um die Leerstelle einer abhandengekommenen, verschollenen Person – Vater, Bruder, Geliebte –, die, wenn es gut geht, am Ende wieder auftaucht oder endgültig verabschiedet werden kann. Peter Handkes neues Buch, Kali. Eine Vorwintergeschichte, macht von dieser Tradition des Werks keine Ausnahme. Man könnte sagen: Im Gegenteil, Handke erzählt das vertraute Gleichnis von Abmarsch, Abenteuer, Ankunft regelrecht forciert aufs Prinzipielle des epischen Musters hin. Als strukturstarkes, szenisches Konzentrat, auf der Tagtraumbühne einer irrealisierten, mythisierten Topografie (deren reales Vorbild an Salzburg, das Salzkammergut, den Mondsee denken lässt). Folgendes spielt sich, äußerlich berichtet, hier nun ab: Eine Sängerin verlässt am Ende einer Tournee die Bühne, fährt zum Hotel, verlässt am nächsten Tag die Stadt, benutzt Zug und Bus, um durch vorstädtische Peripherie immer weiter in die Landschaft bis zum Heimatort ihrer Kindheit zu gelangen. Nach einer kurzen Station bei der Mutter, ebenfalls eine ehemalige Bühnenberühmtheit, überquert die Reisende per Schiff einen See und erreicht das räumliche Ziel der Reise: Ein »Toter Winkel« genanntes Gebiet, das vom salzweißen Rücken eines Berges überragt wird, unter dem sich ein Salzbergwerk befindet. Dieses Gebiet nun ist eine Art Enklave »mitten im Vereinten Europa«, in die sich Auswanderer verschiedenster Sprache und Herkunft, Versprengte und Gestrandete, Außenseiter und Heimatlose geflüchtet haben. Ein aus der Gesellschaft gelöster Trupp Menschen, die eine kleine Gegengesellschaft bilden. Auch dieses Motiv gibt es bei Handke spätestens seit Falsche Bewegung, also seit gut drei Jahrzehnten.
Aus der Mitte der Auswanderer aber ist, was Suchplakate der vagabundierenden Sängerin auf ihrem Weg schon ankündigen, ein Kind verschwunden. Es wiederzufinden ist der Orientierungspunkt der Erzählung. Dass die Sängerin die richtige Person für diese Aufgabe ist, hat sich ebenfalls schon zu Beginn der Geschichte angekündigt. Sie findet – und rettet – allerlei zu Boden gefallene Kleinigkeiten; den Knopf eines Bühnenarbeiters, den schmalen Ring einer Mitreisenden am Busbahnhof, die Kontaktlinse ihrer Mutter. Zuletzt ein kleines verschwundenes Wesen namens Andrea. Eine komplizierte Mischung aus Kindheitsutopie und Erlösungsglaube Und jetzt: wird es atemberaubend. Wir sehen Peter Handke in seiner ganzen Fähigkeit zur sentimentalen Aufladung ontologischer Kindlichkeitsutopien samt ihren christlichen Erlösungsszenerien. Und wir sehen Peter Handkes grandioses ästhetisches Temperament, dessen Experimente den schlichten Wahrheitsanspruch solcher Erlösung, gleichsam aus den Kulissen der Erzählung heraus, infrage stellen. Anders gesagt: Kali folgt dem Prinzip des Epos in lehrbuchhafter Einfachheit und ist dabei komplex bis über beide Ohren. Deutungs- und positionsverunsichernd wie Spiegelsäle – die es in der Geschichte auch wirklich gibt. Der Erzähler ist wahrlich eine Erscheinung vieldeutiger Erzählordnung. Er dirigiert, kontrolliert, treibt die Handlung wie aus dem Regiestuhl mit dem Drehbuch in der Hand: »In der Limousine. Nacht.« – »Aber weiter in der Geschichte.« – »Immer noch Nacht.« Und verliert bisweilen seine Figuren, als wären sie vom Bildschirm verschwunden, regelrecht aus den Augen: »Nur, wo ist sie, die eingangs Musikantin Genannte?« Wie bei Handke üblich, ist der Abstand zwischen Autor und Erzähler recht klein. Auf beider Rechnung geht die Tonmischung aus deklamierendem Pathos und kurz fassendem Bericht, der betonte Textrhythmus erinnert an Bühnensprache und die Bühnensituation der Erzählung. Dem Autor geht das künstlerische Feuer nicht aus Die Summe aus all diesem verlangt gehörige poetische Konzentration und – so merkwürdig es klingt – Spaß an der Sache, künstlerisches Feuer. Peter Handke hat als öffentliche Person anstrengende Zeiten hinter sich. Und wir mit ihm. Aber das Feuer geht ihm nicht aus. Auf der kurzen Prosastrecke von 160 großräumig bedruckten Seiten hat er die meisten seiner Lieblingsmotive, die zur Lieblingsidee der Heimkehrreise gehören, konsequent untergebracht. Und dabei die klassischen Erzählbewegungen des Epos, den Zyklus (die Kirchenszene am Ende bindet sich zurück an die Bühnenszene vom Anfang) und die Vertikale des Abstiegs (von der Bühne steigt die Sängerin Schritt für Schritt hinunter in die Salzgrube), im turbulenten Hin und Her der Zeichen aufgemischt. Eine Spur vom guten alten Pop, vom Sinn für Trivialkultur und der Passion für die Formen des Films ist auch dabei. Kurzum: Zu bezweifeln, dass Peter Handke zum Trüppchen der anhaltend interessantesten Größen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur gehört ist einfach Unsinn. Auch wenn man selbst dem Zweifel bisweilen anhängt.
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wei Nebendraußensteher Peter Handke wechselt Briefe mit Hermann Lenz und spricht mit Peter Hamm. Die beiden Bände, vermitteln viel von seiner Weltsicht und seinem poetologischen Credo.Von Rainer Moritz Der österreichische Schriftsteller Peter Handke Foto: dpa Wie angenehm, über Peter Handke zu sprechen, ohne zuerst seine Ein- und Auslassungen zu Serbien oder den Disput um den Düsseldorfer Heine-Preis erörtern zu müssen. Zweimal tritt uns der seit seinen Anfängen so merkwürdig intensiv angefeindete österreichische Schriftsteller entgegen: zum einen in Gesprächen, die er 2002 mit dem Freund Peter Hamm führte und die die Grundlage für das Fernsehporträt "Der schwermütige Spieler" (Südwestrundfunk) bildeten, und zum anderen in knapp 300 Briefen und Postkarten, die Handke mit seinem 1998 verstorbenen Kollegen Hermann Lenz wechselte. Beide Bände, so unterschiedlichen Textsorten sie angehören, vermitteln viel von dem, was Peter Handkes Weltsicht und sein poetologisches Credo ausmacht. Fraglos werden diese "O-Töne" fortan zum festen Bestandteil der Handke-Philologie zählen, so wie die 1986 erschienenen Gespräche mit Herbert Gamper ("Aber ich lebe nur von den Zwischenräumen").
Peter Handke und Hermann Lenz kamen auf eigenartige Weise zueinander. Bereits Mitte der sechziger Jahre beschäftigte sich Handke mit Lenz' "Die Augen eines Dieners", doch erst 1972 zündete der Funke, als sich Handke eingehend mit Lenz' feingesponnenem Roman "Der Kutscher und der Wappenmaler" befasste. Im Dezember dieses Jahres setzt dann auch die Korrespondenz der beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Schriftsteller ein. Hier der langmähnige Pop-Poet Handke, der mit seinen frühen Gedichten, den Theaterstücken ("Publikumsbeschimpfung") oder der Prosa ("Die Angst des Tormanns beim Elfmeter") sowie mit seiner medienwirksamen Princetoner Verhöhnung der - so Handke - weitgehend talentfreien Gruppe 47 in kurzer Zeit zu einem richtungweisenden Meinungsführer der jungen deutschsprachigen Literatur geworden war. Da der stets korrekt auftretende, fast dreißig Jahre ältere Hermann Lenz, der schon 1936 mit Naturgedichten debütierte und dessen kontinuierlich vorgelegten Romane nur von Kennern wahrgenommen wurden und ihm das zweifelhafte Renommee eines "Stillen im Lande" einbrachte. Peter Handke kümmerten diese äußerlichen Differenzen nicht; die Lektüre der Lenz'schen Prosa begeisterte ihn, und er beschloss, dieser Begeisterung Ausdruck zu verleihen. "Ich bemühe mich, etwas zu Ihren Büchern öffentlich zu sagen", heißt es im Januar 1973, und elf Monate später, in der Weihnachtsausgabe der "Süddeutschen Zeitung", sollte dies spektakulär eingelöst werden: Der umfangreiche Essay "Tage wie ausgeblasene Eier. Einladung, Hermann Lenz zu lesen" sorgt für Aufruhr und macht aus dem am Rande des Literaturbetriebs stehenden Lenz eine interessante Figur - nicht zuletzt bei jenen, die ihn zuvor belächelten. Handkes Aufsatz, der sich aus einer genauen, emphatischen Lektüre speist, kam zur rechten Zeit: Lenz' Hausverlag, Jakob Hegner in Köln, stand vor der Pleite, und der Einzelgänger ohne Bestsellererwartung schien vor einer düsteren Zukunft zu stehen. Ohne viel Federlesens ging Handke seinen Verleger Siegfried Unseld an und überzeugte ihn, Lenzens Werke in den Insel Verlag zu übernehmen. Der Kriegsroman "Neue Zeit" eröffnete 1975 den Reigen, und drei Jahre später führte diese (Wieder-)Entdeckung dazu, dass Lenz, dem - so die Eigencharakteristik - "fleißigen Schreiber mit jahrzehntelanger Erzählpraxis", der Georg-Büchner-Preis zugesprochen wurde.
atürlich steht der Briefwechsel unter diesen Vorzeichen: Lenz weiß, was er dem einflussreichen Kollegen zu verdanken hat. "Nackt und bloß", schreibt er, stünde er ohne ihn da, und in seinem autobiografischen Eugen-Rapp-Zyklus wird Lenz seinem Förderer in der Figur Stephan Koval ein Denkmal setzen und bis 1992 etliche Handke-Bücher (meist für die WELT) rezensieren. Dessen ungeachtet ist in dieser Korrespondenz sofort spürbar, wie sich zwei um Distanz bemühte Menschen Schritt für Schritt näher kommen - 1975 bietet Lenz dem Jüngeren brieflich das Du an -, sich gegenseitig besuchen und ihre Auffassungen vom Zweck der Literatur abgleichen. Die "entfernten Verwandten" (so Peter Hamm im Nachwort) registrieren, dass ihrem Schreiben ein transzendentaler Impetus zugrunde liegt, ein Bemühen, die Phänomene der Welt durchscheinend zu machen und sich nicht mit platter realistischer Widerspiegelung zu begnügen. Handke, der sich mit "Langsame Heimkehr" (1979) merklich von seinen Anfängen löst, nimmt begierig die Intensität auf, die vor allem in Lenz' Naturszenerien liegt. Mit Blick auf seine eigene Poetik regt er, nach der Lektüre von "Erinnerung an Eduard", an, Lenz möge auf Erzählstränge, die auf Handlung im herkömmlichen Verständnis zurückgreifen, verzichten: "Freilich dachte ich da auch, dass die Liebesgeschichte mit Valerie in solch ein Naturgeschehen gar nicht mehr ausdrücklich hineinzufunken brauchte". Lenz wiederum wird nicht müde, Handkes Fähigkeit, die Dinge wieder als unbelastete Dinge aufscheinen zu lassen, und die "Kunst der Wiederholung" zu rühmen. Gemeinsam ist beiden, dass sie aus Büchern eine Kraft schöpfen, die das Weiterleben erleichtern. Für Lenz ist die Literatur eine "Schildmauer" gegen die Anfeindungen der Zeit, während Handke etwa bei Gedichten Friedrich Rückerts das befreiende Gefühl erfährt, eine "starke Luft in die Brust geblasen" zu bekommen. Hermann Lenz' Zuruf "Deine Bücher machen mich jung" spiegelt so ein Zutrauen in die Literatur, wie es nur wenige Autoren zu formulieren wagen. Über Persönliches tauschen sich die leidenschaftlichen "Geher" und "Nebendraußen"-Steher eher scheu aus. Handke, der unruhige Pendler zwischen Taunus, Salzburg und Frankreich, merkt an, es "mit dem Alleinsein" schwer zu haben, und erzählt anschaulich von seinen Töchtern. Lenz leidet unter dem erzwungenen Umzug von Stuttgart nach München und gerät in hohe Erregung, wenn die ihm ohnehin suspekten Literaturkritiker mit Handke unangemessen umgehen. Aus "Gründen des Persönlichkeitsschutzes" müssen, als sich Lenz über Marcel Reich-Ranicki ärgert, in einem Brief gar zwei Worte ausgelassen werden ... Der Band schließt mit einer Notiz Lenz', die er sieben Wochen vor seinem Tod an den Freund richtete. Er umfasst neben den Briefen Handkes "Einladung" und Lenz' Antwort - "Begegnungen mit Peter Handke"- aus dem Frühjahr 1974, Handkes Grabrede auf Lenz sowie eine ausführliche, kluge Kommentierung, die erhellende Textstücke aus den Werken beider Autoren heranzieht. Eine Korrektur sei angemerkt: Lenz' Eltern zogen bereits 1912 (und nicht 1914) von Stuttgart ins hohenlohische Künzelsau. Ganz anders sind die Akzente in Peter Hamms Gesprächen mit Handke gesetzt. Hamm versteht sich als Freund und Verteidiger; das angestrebte TV-Porträt bringt es mit sich, dass er zumeist Stichworte liefert, Handke mit Zitaten aus seinen Arbeiten konfrontiert und so versucht, vielschichtige Antworten zu provozieren. Handke nimmt diese Einladung an, mal unwillig, mal wohlwollend, und formuliert anders als in den Briefen an Hermann Lenz deutlich zugespitzter und plakativer. in "Epos ohne Handlung", dahin sollen die Schreibanstrengungen Handkes führen. Der realistische Roman, der Dadaismus, Becketts Reduktionen - all das finde sich bereits in der Literaturgeschichte und müsse deshalb nicht wiederholt werden. Stattdessen gehe es um das Abenteuer der Ruhe, das Vermeiden von plotgetränkten Erzählungen und um das Aufsuchen von Orten "jenseits der Geschichte". Zum Muster eines solchen Literaturverständnisses werden Handkes voluminöse Werke "Mein Jahr in der Niemandsbucht" und "Der Bildverlust", die seine Absichten am deutlichsten umsetzen. Hier spätestens hätte man sich gewünscht, dass Peter Hamm, der sich seinem Gesprächspartner in einer "existenziellen Weise verbunden und verpflichtet" fühlt, nicht auf Nachfragen verzichtet hätte. Fragen, die zum Beispiel nach einer Erklärung dafür suchen, warum ein Roman wie "Der Bildverlust" kaum mehr etwas von der Beobachtungslust und Beobachtungsleichtigkeit verströmt, die Handkes Journale zu so wunderbaren Logbüchern des Sehens machten. Das Begehren, sich als Epiker zu zeigen, führt zu einer statuarischen Kühle und zu einer klassizistischen Schreibweise, die Handke - mit Hinweis auf seine "einfache" Herkunft - bei sich selbst nicht wahrnimmt. Peter Hamms anschmiegsame Gesprächsführung hat, im Gegenzug, den Vorteil, eine offene Atmosphäre zu schaffen, in der Peter Handke kein Blatt vor den Mund nimmt. Das Sich-Schwertun mit Österreich, die Kritik an Thomas Bernhards als unproduktiv empfundenen späten Romanen oder die Darlegung dessen, was für ihn das alte Jugoslawien, dieses "mögliche Europa", war, machen aus diesen mäandrierenden Abschweifungen ein Buch, das Peter Handke ungeschützt zeigt. Einverständnis und Weltvertrauen will er, so der bewusst maßlose Ansatz, durch seine Literatur bewirken, und nicht zuletzt geht es darum, im Leben wie im Schreiben, den "richtigen Abstand" zu den Dingen und zu den Menschen zu finden. Eine Formulierung, die auch Hermann Lenz gefallen hätte, der in allen seinen Büchern das "Fremdheitsgefühl" derer beschreibt, die aus Selbstschutz eine Glaswand zwischen sich und den anderen errichten und die sich dennoch so danach sehnen, diese Wand zu überwinden und "Freunde" (so Lenz' letzter Roman) zu finden. Peter Handke, Hermann Lenz: Berichterstatter des Tages. Briefwechsel. Herausgegeben von Helmut Böttiger, Charlotte Brombach und Ulrich Rüdenauer. Insel, Frankfurt/M. 459 S., 24,80 EUR. Peter Handke, Peter Hamm: Es leben die Illusionen. Gespräche in Chaville und anderswo. Wallstein, Göttingen. 184 S., 20 EUR. Artikel erschienen am 07.10.2006
http://www.welt.de/data/2006/10/07/1061132.html?s=3
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Der Salzherr und die Sängerin Zwischen Predigt und Kammeroper: Peter Handkes Vorwintergeschichte "Kali" träumt von Erlösung in der Fremde des neuen Europa VON INA HARTWIG
Über Picasso wird gesagt, er habe immer weiter gemalt; das Fertigstellen eines Bildes sei weniger wichtig gewesen, als ein neues anzufangen. Vieles entsteht auf diese Weise nebenher, zwischendurch, als Unterbrechung, Durchatmen oder Besinnung. Stillstand ist nicht vorgesehen. Ein ähnlich rastloses Weitermachen kann für den Schriftsteller Peter Handke angenommen werden. Dabei gehört seine neue "Vorwintergeschichte" Kali gewiss eher zu den Neben- als zu den Hauptwerken Handkes. Aber vielleicht signalisiert sie auch einen Übergang - ganz wie die Jahreszeit im Untertitel der Geschichte.
Die stilistische und thematische Freiheit, die Handke sich nimmt, ist wie fast immer bei diesem Autor atemberaubend. So viele schwere Zeichen werden in die Waagschale geworfen, dass sich der Interpretationslust viele - zu viele? - Wege öffnen.
Ort des Geschehens ist ein Salzbergwerk und die Siedlung dazu - womöglich, aber nur womöglich, in der Nähe Salzburgs; ein Ort, an dem lauter "Ausgewanderte" leben, Arbeiter des Kaliwerks, die von überall kommen, deren Akzentgemisch einen neuen - und zwar durchaus verführerischen - Sound ergeben. Es ist das Murmeln des "anders aktuellen" Vereinten Europa, eines Europa nicht der Kriegsherren, sondern der gewöhnlichen, friedfertigen Leute, die sich einrichten zwischen ihrem Auswandererschicksal und den hinübergeretteten Gewohnheiten aus der verlorenen Heimat. Diese Menschen sind "Überlebende und haben in ihrem Überlebenskampf jede Lebenskraft verloren", formuliert der wie über allem schwebende Erzähler apodiktisch. Manchmal erscheinen sie ihm sogar wie "Überlebende des Dritten Weltkriegs, der rund um uns schon seit langem wütet, unerklärt, wenig sichtbar, aber umso böser".
Vom Knistern der Salze Seit zehn Jahren ist kein Kind mehr in jenem Bergwerksort geboren worden. Anstatt dass die Bevölkerung sich vermehrt, verschwinden die Kinder spurlos, "Gesucht"-Plakate zeugen davon. Das letzte Kind, das verloren ging, heißt Andrea respektive Andreja, ob Junge oder Mädchen, bleibt offen. Eine bittere Klage ob dieses Kind-Verlusts liegt in der Luft. Überhaupt ist viel von Geräuschen die Rede in Kali, von betörender Musik, entnervendem Krach und sprechendem Wind; vom Knistern der Kalisalze in der riesigen ausgeleuchteten Salzkathedrale in den Tiefen des Bergwerks. Oder von den Flugzeugen am Himmel, von denen wir offenbar annehmen sollen, sie seien Abgesandte ferner (oder gar nicht so ferner) Kriege.
Dieses Kaliwerk, wo immer in Europa es liegen mag, ist definitiv ein Symbolort: "Toter Winkel" heißt vielsagend die Siedlung um das Salzwerk. Positiv gewendet repräsentiert der Tote Winkel eine neue Heimat aus der Heimatlosigkeit heraus, eine Bastelheimat, die profitiert vom Geschick des Improvisierens. Negativ gewendet ist es jedoch die "Hölle auf Erden", "die Erde als Hölle". So formuliert es die Pastorin, die Ortsgeistliche, in ihrem Zweifel ob der entleerten Rituale, ob des Glaubensverlustes ihrer Gemeinde, ob des verlorenen Kindes.
Zum Ende hin jedoch wird ihr Glaubenszweifel besiegt, weil - ja, das ist der Grund - das verlorene Kind zurückkehrt. Es wird wiedergefunden - vom wem, dazu gleich mehr. "Das Leben ist neu erschienen", jubiliert die Pastorin, und fährt im Handke-Pathos fort. "Die Träume sind zurückgekommen: Schaut, schaut - hört, hört. Nach all dem Schrecken, dem Grauen; wie sehe ich klarer, wie höre ich besser. Unsere Geschichte: aufzugeben? Ausgeträumt? Nein, ich gebe die Geschichte nicht auf."
Die Pastorin erhält in diesem schmalen Buch die meiste Redezeit, vielleicht weil sie das Alter ego des Autors ist? Es wäre nicht das erste Mal, dass Peter Handke den Frauen eine kraftvolle Stimme gibt. Selbst Don Juan (erzählt von ihm selbst) - sein meisterhaftes Prosawerk von 2004 - ließ sich begreifen als Hommage an die eigenständige, unkonventionelle, selbstbewusste Frau. Einmal heißt es nun in Kali aus dem Mund eines Gitarristen: "Was ein Mann ist, wusste ich nicht mehr, habe es im übrigen nie gewusst, aber was eine Frau ist: ja!" Und die Sängerin, zu der er spricht, erwidert: "Die Liebe der Frauen ist schrecklich."
Könnte die Sängerin ebenfalls das Alter ego des Erzählers sein, eines Erzählers, der niemals leibhaftig in Erscheinung tritt, der nicht mittut, sondern arrangiert, inszeniert, von einem anderen Ort aus, den wir - die Leser - nicht kennenlernen? Nein, die Sängerin ist nicht sein Alter ego, sie ist vielmehr die Prophetin des Buchs und somit Gegenpart, aber auch Mitspielerin der Pastorin. Über die Sängerin verrät der Erzähler gleich am Anfang: "Auch mir hat sie Angst gemacht, macht sie Angst. Aber ich möchte mich ihr stellen."
Eine zwielichtige, schillernde Gestalt also, diese Sängerin. Ihre Schönheit und Herzlichkeit wird auch im Toten Winkel für einige Verwirrung sorgen, oder besser: für Verwandlung. Gerade hat die Sängerin eine Konzert-Tournee beendet, als sie sich - wie kann es bei Handke anders sein? - auf Wanderschaft begibt, im Bus, auf dem Schiff und mit kräftigen Schritten. Sie ist auf der Suche nach EINEM Mann (und insofern sehr wohl Gegenentwurf und Fortsetzung zum Don Juan, der ALLE Frauen haben wollte). Die Männer, denen sie begegnet - Chauffeur, Gitarrist, Busfahrer - reagieren stark auf sie, begehren sie vielleicht. Sie aber warnt: Sie bringe den Tod. Ob sie den Tod auch jenem EINEN bringt, den sie im Toten Winkel dann finden wird? Vorher wird sie noch ihre Mutter besuchen, die im Wald wohnt, ein verblühter Filmstar ohne Kontakt zur Bevölkerung, isoliert und stolz. Aus deren Mund vernehmen wir eine psychische Grausamkeit, die nicht schuldhaft und doch unauslöschlich wirksam ist: Sie, die Sängerin, sei zwar "ein Kind der Liebe", sagt ihr die Mutter. "Aber seltsam: Ich habe dich nicht gewollt. Ich habe dich nicht zur Welt bringen wollen. Ich habe dich nicht gebären wollen. Ich habe dich sogar weghaben wollen. ... Ein Waisenkind bist du, eine Vollwaise. Armes Kind." Ist die wandernde Sängerin also in gewisser Weise selbst das Kind, das verloren ging - Andrea, Andreja - und das sie am Ende wiederfindet, wie diese Sängerin überhaupt eine große "Finderin" ist?
Soviel steht fest: Ein ins Weibliche transponiertes Mythengeflecht ist diese Sängerin, teils Orpheus (Gesang, tödlicher Blick), teils Odysseus (Weltreisender auf dem Heimweg), teils Jesus (der Erlöser). Und da Kali zudem der Name einer indischen Göttin ist, wäre auch hier ein wüstes Weiterspinnen erlaubt... Doch darauf kommt es womöglich gar nicht an. Denn Peter Handke erzählt auch eine überwältigend einfache Liebesgeschichte, er erzählt von der Überwindung des Dunklen, Drohenden, Grausamen, von der Überwindung des Verlassenseins, des Kriegs zwischen Ländern und Menschen, er erzählt seine ganz persönliche Illusion: "Ja: Es ist eine Zeit, in der so viel möglich war wie vielleicht noch nie, im Bösen und im Guten, und vor allem im Unerhörten".
Kühnes, gottgefälliges Paar Der leitende Ingenieur des Kaliwerks, "Salzherr" genannt, ist der Erwählte; Mann aus dem Osten, Vater eines traurigen, verblüffend selbstständigen Sohnes - ein Witwer. Er spricht ergreifend von seiner verstorbenen Frau, und es fällt ihm sichtlich schwer, sich auf die erschienene Sängerin "einzulassen", wie diese drohend-erwartungsvoll hofft. Das Böse wird diesmal nicht vergessen, im Gegenteil, es ist da - im Missverständnis zwischen Mutter und Tochter, zwischen Vater und Sohn, und am Himmel, wo die Kriegsflugzeuge kreisen, sowieso. Aber das unerhört Gute soll offenbar siegen. Der Sohn vertraut der Sängerin an, dass er den Vater nur störe, während der Vater der Fremden versichert, sein Sohn sei sein Ein und Alles. Dieses traumatisch belastete, restfamiliäre Doppelgemüt zu erobern, ist keine Kleinigkeit für die Sängerin - aber es gelingt ihr!
Der Salzherr und die Fremde fallen einander in die Arme, und von nun an scheint ein Singen anzuheben: "Verwandlung". Ein wunderbares Fest wird gefeiert, ein Gottesdienst abgehalten. Es ist die große Versöhnung unter all den Fremden, die, ihrer Vaterländer und Muttersprachen, ihrer Zwiebeltürme und Besitztümer beraubt, im Toten Winkel zusammenleben. Mit der Sängerin kommt nicht nur das verlorene Kind, es kommen die Träume überhaupt zurück, das ganze lebenswerte Leben, und die Pastorin predigt: "Nichts Schöneres, nichts Gottgefälligeres als ein kühnes Paar."
Eine rücksichtslos überladene Etüde, ein Traumspiel, eine gezielte poetische Überhöhung ist diese "Vorwintergeschichte"; als Einstieg ins Handke-Universum denkbar ungeeignet. Wer den hohen Ton Handkes nicht mag, und diesmal ist er besonders ausgeprägt, wird die Finger ohnehin von dem Büchlein lassen. Wer aber einen unserer bedeutenden poetischen Illusionisten bei der Arbeit beobachten möchte, lese Kali. Je mehr man sich hineindenkt, desto traumwandlerisch-sicherer entfaltet sich diese Kammeroper der Erlösung. Und doch ist man erleichtert, aus dem Mund der Pastorin endlich zu hören, sie habe nun "genug gepredigt". "Zurück zur Prosa", kündigt sie an. Möge ihr rastloser Erfinder ihr folgen!
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